13.–19. August

So war das Sommercamp 2011

17. August 2011, in Allgemein, 1 Kommentar


Gänsehaut beim Passieren der neu errichteten Gedenksteine für das frühe KZ Sachsenburg. Ein Sonntag Mittag im August. Ich radle schwer bepackt im sächsischen Zschopautal Richtung Frankenberg. Der Blick über die Schulter geht auf eine malerische Flussaue. Rechts auf einer Anhöhe die weiße Mauer von Schloss Sachsenburg. Im Tal ein zweites gewaltiges Bauwerk. Eine graue Textilfabrik aus der Kaiserzeit. Ein Zeichen für vergangene wirtschaftliche Potenz.

Eine Landschaft wie geschaffen für Deutschtümelei. Von 1933 bis 1937 wurde die Fabrik von den Nationalsozialisten als frühes Konzentrationslager genutzt. Nazis setzen bewusst auf die Wirkung des Ortes, auf die passende Landschaft und Architektur.

Heute ist dieser Ort ein Erholungsgebiet. Motorräder knattern die gewundene Straße entlang und Radfahrergruppen folgen dem Zschopautalwanderweg, rasten am Wasserkraftwerk oder im Gasthaus, einem Ort mit dutzenden Sitzplätzen im Innen- und Außenbereich. Auf einem von Bäumen überschatteten Rasen mit dunkel gebeizten Bänken und Tischen ist unentwegt ein voll automatischer Rasenmäher zugange.
Hochzeitsfotos werden in den Überbleibseln einer alten Mühle aus der Blütezeit des Bergbaus zwischen liebevoll hergerichtetem Fachwerk und einem halb verfallenen Torbogen geschossen.

Die neuen Gedenksteine wurden in einer Schneise aufgestellt. Folgt man dem kurzen Weg der Schneise, gelangt man zu einem Steinbruch. Karl Stenzel, ein Überlebender des KZ Sachsenburg, vermag von der Zwangsarbeit an jenem Ort zu berichten. „Spuren“ steht auf dem ersten, „vertiefen“ auf dem zweiten Gedenkstein. Es soll nicht bei den Steinen allein bleiben. Die Initiatoren fordern eine Gedenkstätte für das frühe KZ Sachsenburg.

Die behauenen Steine, ein Radio-Feature, ein Web-Video und umfangreiches Material, welches aus Stadtarchiven der Region zutage gefördert wurde – all dies sind die Ergebnisse einer Workshopwoche, von der ich mich gerade Kilometer um Kilometer entferne.
Die TeilnehmerInnen waren Jugendliche und junge Erwachsene: Studentinnen und Studenten, Schüler, Angestellte. Angeleitet von fachlich kompetenten Workshopleitern einem disziplinierten, hoch motiviertem Orga-Team, dessen Leistungen mich verblüfften. Über ein Jahr hat die Chemnitzer Jugendinitiative „Klick“ die Workshopwoche, inklusive Kunstausstellung in einem Nebengebäude der ehemaligen Fabrik, Bildhauer-, Radio-, Film-Workshop, Archiv-Zugängen unter professioneller Anleitung und öffentlichem Zeitzeugen-Gespräch sowie Diskussionsrunde mit Entscheidungsträgern zum Thema „Gedenken / Umgang mit der jüngsten Geschichte“ vorbereitet.

Für einige der TeilnehmerInnen, darunter für mich, war es die bisher schönste Woche des Jahres. Sie bot lange, gute Gespräche mit Gleichgesinnten, intensive Gestaltungsarbeit und eine unkompliziertes Stück Aufarbeitung der jüngsten Geschichte.

Torsten, Web-Video-Workshopteilnehmer

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1 Reaktion

  1. binario stern sagt:

    Danke für den schönen Text.

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